Meine Arbeitsmaterialien sind Alu-, Fein- und Grobbleche zwischen 2 - 6 mm Stärke. Manche sind fabrikneu, andere stöbere ich aus Altbeständen auf, fasziniert von der “Patina der Vergangenheit”. Wenn ein Werkstück bereits eine Geschichte mit sich bringt, ist diese immer spürbar und sichtbar, durch die Form, den Rost, durch Brüche, Anlauffarben und Dellen - und durch Dinge, auf die man vielleicht gar nicht so genau den Finger legen kann. Alter Schiffsstahl von einem Salzwasserwrack kommuniziert mit anderen Themen, als Blechtafeln aus einem 150 Jahre alten Handwerksbetrieb, der durch einen Großbrand vernichtet wurde. Oder Stahlschrottplatten, die jahrzehntelang vergessen in Lost Places lagen. Ich versuche, mit der individuellen Geschichte oder Energie in Kontakt zu kommen und das freizulegen, was gesehen werden will.
Das besondere am Flüssigstahlmalen ist, dass das entstehende Bild nicht nur vom Künstler sondern auch von der Stahltafel geschaffen wird, sie arbeitet aktiv mit. Mir ist bewusst, dass wir von toter Materie sprechen - und dennoch entwickelt das Werkstück während des Malens und unter dem Einfluss der Hitze und Kraft eine Art “Eigenleben”. Es baut Spannung auf und beginnt sich zu bewegen, zu wellen oder zu verziehen. Es reagiert direkt auf das entstehenden Motiv.
Natürlich könnte man dies verhindern, indem man das Werkstück bis zur Bewegungslosigkeit festzwingt oder nach dem Prozess spannungsarmglüht. Aber ich habe festgestellt, dass es mich tief berührt, wenn ein derart mächtiges, starkes Material wie Baustahl auf einen kreativen Impuls reagiert, mit mir Kontakt aufnimmt, auf nicht vorhersehbare Weise interagiert - und am Ende in einer Antwort erstarrt. Ich will es nicht in eine Form zwingen. Es ist viel zu großartig, was da passiert.
Die Blechtafeln “bemale” ich mittels Schweißbrenner (Aufbringen von Schweißnähten aller Art), Winkelschleifmaschinen, Plasmaschneider, Dremel. Ich provoziere Rost. Ich arbeite mit Acryl Schatten heraus. Ich ätze oder poliere Oberflächen oder Nähte. Ich schneide, brenne, schlage Löcher oder Dellen, wenn es das Thema erfordert.
Die Herausforderung bei der Flüssigstahlmalerei liegt darin, dass kontrolliertes, feines Arbeiten wie mit Pinsel oder Feder nicht möglich ist. Unhandliche Schlauchpakete, das große Gewicht aller Komponenten, Hitze und die Wucht der Rotation unterstützen nur kraftvolle, entschlossene, emotionale Bewegungen. Die Sichtscheibe des Schweißhelms bietet nur ein sehr eingeschränktes Sichtfeld und durch die Verdunkelung während des Schweißens hat man keinerlei Überblick - also arbeitet man intuitiv. Jeder Auftrag aber ist unumkehrbar. Es gibt keinen Radiergummi, kein Abdecken, kein digitales “Return”, kein Übermalen, kein neues Blatt Papier: eine Schweißnaht bleibt eine Schweißnaht und das Material ist schwer und teuer. Es ist also, wie im wirklichen Leben: du hast gepatzt? Nimm es als Gelegenheit, etwas noch Besseres daraus zu machen.